top of page

Di., 16. Mai

|

Ampere

JUNGSTÖTTER

support: Finn Ronsdorf x Ralph Heidel

Anmeldung abgeschlossen
Veranstaltungen ansehen
JUNGSTÖTTER
JUNGSTÖTTER

16. Mai 2023, 19:00

Ampere, Zellstraße 4, 81667 München, Deutschland

TICKETS

2 0 1 9

erschien das Solodebut Fabian Altstötters, »Love Is«, das er nach einer EP und zwei Alben seiner Band Sizarr (2012 und 2015) nach dem Ende der Band unter dem Künstlernamen Jungstötter veröffentlichte: Samtene, ruhige Stücke, dicht am Zusammenspiel einer Band virtuoser, am Jazz geschulter Musikschaffender, getragen von einer Stimme irgendwo zwischen Mark Hollis und Scott Walker. Der Sound: reduziert, einfach, elegisch. Jetzt, vier Jahre später, setzt sich diese Vision fort und findet dabei zu weitaus eigensinnigeren Formen, erschließt sich neue, leuchtende Horizonte. »One Star«: Zehn Stücke zwischen schmachtendem Liebeslied und unbehaglicher Betrachtung der Welt. Wir hören ein Gebirge von einem Album, im Spannungsverhältnis des Inneren Fabian Altstötters und des Außen, welches er erfährt, erklimmen Gipfel, stürzen in Schluchten, gehen verloren, werden gefunden. Dabei ist der Blick unentwegt zum Himmel gerichtet.

A n de r s

als bei Jungstötters Debut findet sich auf »One Star« eine nun vielmehr referenzlose Musik, die Mut zu sich selbst gefunden hat und neben der Ruhe des Vorgängers, die immer noch da ist und Erdung liefert, auch Ausflüge in instrumentale Extreme unternimmt. Die zehn Songs sind bisweilen vertrackt, verdichtet, zeugen von einer neuen Komplexität. Sie bewegen sich damit viel näher am Songwriter Fabian Altstötter, rücken ihn als Komponisten ins Zentrum, als Strippenzieher, Spieler, Architekten, Fallensteller. Um die Vergangenheit wissend und dabei auffallend zukunftsgewandt zeigt sich so eine einzigartige Musik, die uns Hörer in kontrastreiche Welten führt. Die avantgardistischen Elemente dieser dichten und intensiven Kompositionen stammen dabei vielleicht nicht zuletzt aus den Einflüssen des kleinen unguarded-Labels, das von Altstötters Umfeld betrieben wird und in den letzten Jahren zu einem Knotenpunkt junger, eigensinniger Musikschaffender geworden ist, die dort ihre hyper-vertrackten Musikvisionen veröffentlichen. Doch es sind bloße Ausflüge in diese sonischen Sphären, experimentelle Tupfer, die immer wieder zurückführen auf eine selbstbewusstes, reifes Songwriting. So hören wir eine romantische Popmusik, melancholisch, tastend, feinsinnig entwickelt, zugleich sicher und fragil und darin voller Strahlkraft. Eine Musik, die aus Tradition schöpft und sich im selben Moment auf Augenhöhe der Innovationen einer jungen, musikalischen Modernität bewegt. In der Verbindung dieser Klangwelten entstehtein neuer Stern am Firmament: »One Star«!

W o r in

mag diese Veränderung begründet liegen? Fabian Altstötter, geboren 1991 in der Pfalz, brach nach Veröffentlichung seines Solodebuts 2019 bald die Zelte in Berlin ab, ging nach Wien, war während der Pandemie überwiegend dort, in einem neuen Zuhause, in dem er bis heute mit seiner Partnerin Anja Plaschg (alias Soap&Skin) zusammenlebt, die ihm auch musisch und künstlerisch neue Impulse gab. Altstötter fand Struktur im Familienalltag, isolierte sich in sein Songwriting, ließ es geduldig wachsen, nutzte die Pause, öffnete einen Hallraum, um darin etwas Neues zu kreieren, ohne seine Künstlerbiografie zu übergehen. Nach einer persönlichen Krise im Sommer 2021, einem Meltdown, wie er selbst sagt, rappelte er sich wieder auf, klaubte jene Trümmer, die eine heftige Depression auch von seiner Musik und seinem Selbstwertgefühl als Künstler zurückgelassen hatte, vom Boden. Auf wundersame Weise fügten sie sich zusammen. Fabian Altstötter erhob sich, und in der Ruhe nach dem Sturm ergab sich dieses Album, das oft wie ein dunkler Stern über ihm gestanden hatte, drohte ihn zu verschlucken. Nun fing es an zu leuchten.

G l ei c h

im Auftakt »Know« kündigt sich fulminant an, was einen auf »One Star« erwartet: Ein vergangenes und ein künftiges Wissen werden besungen, das transzendierende Individuum zwischen Himmel und Körper. So wird das Stück – auch sprachlich auf gänzlich unausgetretenen Pfaden – zum perfekten Auftakt, wobei es die Motive bereits versammelt, die sich über die zehnteilige Songspanne zu berühren wissen (werden). Besonders fällt hier die Produktion Altstötters auf, seine Affinität zu etwa Arve Henriksen. Doch dessen Stille wird allenfalls hochachtungsvoll anzitiert. Dann knallt es, fährt zum besungenen Himmel auf, wird dicht und immer dichter und explodiert. Und sowieso, die Produktion: »Nothing Is Holy« etwa, dunkel und opak, voller Metallschleifen und subbigem Kabinendruck, verfremdet auch die sonst weitestgehend klare Stimme, inszeniert Jungstötter als gefallenen Engel. Streicher kommen, schieben schwarze Brocken zur Seite, lassen Licht herein. Doch letztlich gewinnt die Dunkelheit.

D i e

hier wie dort beschriebene Bewegung, zwischen Erdboden und Himmelsreich, zieht sich durch die gesamte Stimmung des Albums: Am Boden liegend, mit den Händen die Oberfläche abtastend, betrachtet Jungstötter den Himmel, der sich stetig verändert, grau wird, finster, dann leuchtet, wolkenlos. Gewitter, Wetterleuchten, Farben, Gesteinsbrocken, Trübung, Aufklärung. Verdunkelung. Weite. »OneStar« ist ein Album zwischen Abstraktion und präziser Beschreibung, das in seiner Intensität das Vergehen von Zeit spürbar macht, ein Bewusstsein erlaubt, aus dem heraus man den Lauf der Dinge betrachten lernt. Die Musik wird zur Konstante, zum leuchtenden Stern am Himmel, der Orientierung spendet in einer sterbenden Welt. So geht es weiter, dicht, vertrackt, direkt. Es ist kaum zu glauben, welche Wegstrecken innerhalb der Songs zurückgelegt werden und »OneStar« zu einem komplexen fucking Grower machen.

D a s

große Finale greift den Stern dann auf, der den Fixpunkt ausmacht. »One Star«, Titeltrack dieses großen Albums, zeigt, wie Jungstötters Lyrik einen neuen Horizont erschlossen hat und gibt dem Dichter eine letzte Kammer – zumindest auf diesem Album. Zwischen Todessehnsucht und melancholischer, sprudelnder Verliebtheit zieht mit Gospelglanz der Himmel vorbei, durchwandern wir darunterein letztes Mal die innere Landschaft, die dieses Album erschaffen hat. Und am Ende ist es die unbändige Sehnsucht, dass etwas passieren möge – Anfang oder Ende, nur dass etwas passieren möge: »Oh give me a star / Give me / Oh give me a star / Why don’t you let a star fall down onto me / I’m standing here with my open arms ready to catch it / Ready for an embrace / Why don’t you give me that star«.

N u n, hier ist er: One Star!

– Hendrik Otremba

Diese Veranstaltung teilen

bottom of page